Hans Rohn


Hans Rohn um 1900
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Hans Rohns erster Aufenthalt anno 1896
„St. Leonhard, 8. VII. 1896“, hat Hans Rohn auf einem mit raschem Pinselstrich aufs Papier geworfenen  Aquarell notiert, auf dem am Mauerwerk über einer schmalen, geduckten Holztür ein steinernes Relief mit dem knienden Jesus und drei seiner Jünger zu erkennen ist. Das aus dem 16. Jahrhundert stammende Ölberg-Relief, das auch heute noch die Südseite der Pfarrkirche von St. Leonhard am Forst schmückt, dürfte Hans Rohns künstlerisches Interesse schon bei seinem ersten Aufenthalt in der idyllischen Marktgemeinde angezogen haben. Denn es weist die älteste Datierung unter den mehr als hundert Gemälden und Zeichnungen auf, die Hans Rohn in den kommenden Jahrzehnten mit Pinsel und Palette,  Pastellkreide, Kielfeder und Tusche oder ganz einfach mit spitzem Bleistift  hier im niederösterreichischen St. Leonhard zwischen Melk und Mank und rund um den Hiesberg schaffen  sollte.
Doch es waren nicht nur die alten Bauwerke, Höfe und Denkmäler der ebenso geschichtsbewußten wie traditionsreichen Marktgemeinde, die den Künstler stets aufs neue inspirierten und ihn zum Maler-Chronisten St. Leonhards und der umliegenden Ortschaften werden ließen: Hans Rohn durchlebte und erlebte in St. Leonhard gleichzeitig die fruchtbarsten Perioden seiner vielgestaltigen Landschaftsmalerei.
Hatte er bei seinen frühen Wanderungen als junger Kartograph die bizarren Felsregionen der Dolomiten, Tirol und das Salzburger Land zeichnend durchstreift, so wurde das niederösterreichische St. Leonhard am Forst, eingebettet in üppige Wiesen und Felder, mit den dunklen, geheimnisvollen Waldungen des Hiesbergs im Norden, zum bleibenden Mittelpunkt seiner künstlerischen Auseinandersetzung mit der Natur: Frühe, bisweilen noch spätbiedermeierlich anmutende Genreszenen weichen bald einer künstlerischen Auffassung, die zwischen stillem Naturrealismus und licht und farbdurchflutetem Impressionismus wechselt, bevor er sich dem Jugendstil zuwendet: mit strenger, beinahe geometrisch wirkender Linienführung entstehen am Hiesberg sein „Sonnenwald“, der dunkle, feierlich stille „Fluß im Granitstein“ sowie mit Kreide und Deckweiß die „Birken am Wasser“.
 
Gemälde und Zeichnungen, die noch nie in der Öffentlichkeit gezeigt wurden
Jetzt, im März des Jahres 2010 und damit beinahe 114 Jahre nach Hans Rohns erstem Aufenthalt in St. Leonhard,  kehrt sein kleines Ölberg-Aquarell und mit ihm sein hier entstandenes Oeuvre zum ersten Mal zurück in die Marktgemeinde. 
Es ist eine überaus beeindruckende Ausstellung, die Bürgermeister Hans-Jürgen Resel am 26. März im Volkshaus vor großem Publikum eröffnen kann, und der Anlaß könnte nicht besser gewählt sein: St. Leonhard feiert in festlichem Rahmen das 850. Jahr seiner Gründung, und so ist auch der ganze Ort auf den Beinen, um eine kulturhistorische Persönlichkeit und einen Künstler kennenzulernen, an den sich mancher hochbetagte Leonharder zwar noch erinnert, der mit seinen Werken jedoch nie an die große Öffentlichkeit getreten war und dem heute,  nach dem Erscheinen einer Aufsehen erregenden Hans-Rohn-Biographie von Kunst- und Kulturhistorikern gebührende Beachtung geschenkt wird.  
Dr. Hildegard Fischer, Vorsitzende der Hans-Rohn-Gesellschaft und selbst Kunsthistorikerin, hat über viele Jahre hinweg die künstlerischen und kartographischen Werke ihres berühmten Großvaters gesammelt, analysiert und dokumentiert und speziell für die Ausstellung in St. Leonhard eine Auswahl von rund 90 Bildern zusammengestellt, die noch nie zuvor in der Öffentlichkeit gezeigt worden waren.    

Dr. Hildegard Fischer mit OSR Franz Handl (l), Ewald Guido Fischer und Douglas Fischer (r)
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Großes  Publikumsinteresse bei der Ausstellung in der Schlossgallerie von St. Leonhard 
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Rasch kristallisieren sich bei den mehr als 400 Besuchern der Ausstellung in der historischen Schloßgalerie an den folgenden Tagen einige besondere Anziehungspunkte heraus. Da ist natürlich das Ölgemälde mit dem hübschen Sommerhaus, in dessen Garten die Rosen blühen. Ja, es ist jenes Haus, das Hans Rohn in der Hiesbergstraße 1 angemietet hatte und in dem er mit seiner Familie bis zum Jahr 1928 die Sommerfrische und später auch die Wochen rund um Weihnachten verbrachte.  Von hier aus wanderte er mit seinem Malkoffer und leichter Feldstaffelei hinaus in die Natur, um die sommerlich blühenden Wiesen, das verfallende Gemäuer des Schlosses von Großweichselbach, die dunklen Forste und bizarren Gesteinsblöcke des Hiesbergs, die alte Wehr am Melkfluß und die Pappeln am Ufer der Mank  auf die Leinwand zu bannen.       
Große Aufmerksamkeit erregt bei den Besuchern der Ausstellung ein im Sommer 1914 entstandenes Ölgemälde, das eine alte Holzbrücke zeigt, deren steinerner Stützpfeiler sich im sanft dahinfließenden Gewässer widerspiegelt. „Es ist die einstige Brücke über den Madhofsteg“, geben sich manche überzeugt. Doch einige hochbetagte Leonharder, die auf dem Bild ihren Spielplatz aus Kindheitstagen wiederentdecken, wissen es ganz genau: Es handelt sich unzweifelhaft um die heute nicht mehr existierende Melkbrücke in der Au.
 
Historische Motive in St. Leonhard wiedererkannt
Wertvolle Beiträge zur Identifizierung der Rohn’schen Motive kommen vom St. Leonharder Heimatforscher OSR Franz Handl: Auf zwei mit feinstem Strich ausgeführten Bleistiftzeichnungen des großen Landschaftszyklus „Auf dem Lande“ erkennt er die alten, im Jahr 1720 von Wolf Ehrenreich Graf Auersperg gestiftete Marienstatue wieder, die heute neben dem Kirchenplatz zu sehen ist. Hans Rohn hat die Maria Immaculata 1900  noch in ihrer früheren Umgebung, vor dem ehemaligen von Efeu überwucherten Gefangenenhaus des Landesgerichtes Peilstein in der nunmehrigen Wieselburgerstraße vorgefunden. 
Ebenso wiederentdeckt wurde auf einer Kreidezeichnung aus dem Jahr 1917 mit der Bezeichnung „Der alte Hof“ das alte Halterhaus in der Kirchenstraße 11, in dem sich, wie eine Inschrift aus dem Jahr 1577 belegt, einst der älteste Pfarrhof des Ortes und die Wohnung des Pfarrers Martin Altmann befand. Auch eine Reminiszenz an das einstige Wasserschloß von Zwerbach und seine wechselvolle Geschichte findet der Besucher der Ausstellung wieder. Urkundlich bereits im 14. Jahrhundert erwähnt, später im Besitz des Freiherrn Friedrich von der Trenck und von Kaiser Franz I. und danach dem Verfall preisgegeben, blieb jenseits des historischen Burgstalls nur noch der ehemalige Meierhof bestehen, den Hans Rohn mit rundbogigem Portal und charakteristisch geschweiften Giebeldächern vor dem stillen Weiher festhält.
Ungelöst bleibt hingegen das Rätsel um die „Dame im Goldmedaillon“. Im Jahr 1911 entstanden, ist es  zweifellos eines der bezauberndsten Frauenporträts, die Hans Rohn in der beliebten Medaillonform des Jugendstils geschaffen hat: Mit fragendem Blick  wendet die elegante  Dame im hochgeschlossenen Kleid ihr schönes Antlitz  dem Betrachter zu – freilich ohne ihre Identität preiszugeben. „Das ist eben die Rohn‘sche Mona Lisa“, kommentiert  ein Besucher dezidiert, was der unbekannten Dame im Goldmedaillon für den Rest der Ausstellung sogleich die Bezeichnung „Mona Rohn“ einträgt.     
 
Von der Akademie der bildenden Künste in die Dolomiten
Als Hans Rohn 1896 erstmals nach St. Leonhard kam, hatte er in der glanzvollen Epoche der ausklingenden Ringstraßenära  bereits sein vierjähriges Studium an der Akademie der bildenden Künste in Wien absolviert. Hier, in den heiligen Hallen der vom Kaiserhaus geförderten Malerschulen, war er zwischen 1889 und 1893 den berühmtesten Künstlern seiner Zeit begegnet, hatte bei dem wegen seiner rigorosen Strenge gefürchteten Historienmaler Christian Griepenkerl die figurale Mal- und Zeichenkunst erlernt, war auf Leopold Carl Müller, den bedeutendsten österreichischen Meister des orientalischen Genres gestoßen, hatte Sigmund L‘Allemand, den Schlachtenmaler des Kaisers, getroffen, den er noch als Student selbst porträtieren durfte.
Ein besonderes Naheverhältnis entwickelte Hans Rohn jedoch zu Franz Rumpler, einem der begehrtesten Porträtmaler seiner Zeit, der sich nach einem Aufenthalt in Paris der realistischen Landschaftsmalerei der Schule von Barbizon zugewandt hatte und viel dazu beitrug, daß die ehemals gering geschätzte „Freiluftmalerei“ auch an der Akademie der bildenden Künste in Wien hoffähig wurde.
Hans Rohn hatte der Malerei in freier Natur freilich schon lange vor seiner Zeit als akademischer Maler gehuldigt – genau genommen seit frühesten Jugendjahren, als er auf Wunsch seines Vaters im Wiener Atelier Gustav Freytags – dem Begründer des späteren Landkartenverlages Freytag & Berndt - das zukunftsträchtige Handwerk des Kartographen und Lithographen erlernte. So wurde das erstaunliche zeichnerisches Talent des jungen Rohn frühzeitig vom Wiener Aquarellisten Professor Ferdinand Mayer entdeckt, der den 12jähigen in die Kunst des Zeichnens mit Federkiel und Tusche einweihte, bevor er, zur Vorbereitung auf die Kunstakademie, sein Können an der Malerschule Eugen Hörwarter perfektionierte.
 
Eine neue Methode der kartographischen Gebirgsdarstellung
Seine herausragende künstlerische Begabung war es schließlich auch, die Hans Rohn dazu befähigte, seine von der Wissenschaft bis heute gerühmten Leistungen als Alpenkartograph zu vollbringen.  Hatte er sich schon in seinen frühen Jahren an der Seite Gustav Freytags, dessen ganze Liebe dem Alpinismus galt, der Gebirgsdarstellung zugewandt, so begründete er ab 1900, also nur wenige Jahre nach seinem ersten Auftreten in St. Leonhard, eine neue Ära der Alpenkartographie. Dabei wirkte Hans Rohn nicht nur bei der vom Deutschen und Österreichischen Alpenverein vorangetriebenen Neuvermessung der Alpen vom Allgäu bis in die Dolomiten mit, sondern nutzte seine zeichnerischen Fähigkeiten, um auf den Bergeshöhen die Felsregion mit allen ihren morphologischen Besonderheiten bis ins kleinste Detail im Maßstab 1 : 12.500 zu erfassen.  Als „generische Felszeichnung“ bezeichneten Wissenschaftler späterer Jahre diese bis heute unübertroffene Darstellungsform des Gebirges.
Doch mehr noch als bei der Felszeichnung selbst kam das Genie Hans Rohns bei der Erstellung der Druckvorlage auf dem lithographischen Stein zum Ausdruck: Mit zwei Werkzeugen, einer Stahlnadel und einem mit einer zugeschliffenen Diamantspitze ausgestatteten Griffel bewaffnet, wurde die Felsregion jeder einzelnen Alpenkarte mit zehntausenden von Linien und Schraffen mit einer Tiefe von maximal 0,5 Millimeter in den auf Hochglanz polierten und mit Gummi arabicum für den Druck vorbereiteten Solnhofener Kalkstein graviert.
Das Ergebnis der Rohn‘schen Methode, im Maßstab 1 : 30.000 mehrfarbig gedruckt, übertraf an Klarheit und Brillanz jede andere der bisher angewandten Methoden der Gebirgsdarstellung – und sie übertrifft, wie Alpinisten behaupten, an Qualität  bei weitem selbst jede moderne am Computer erstellte Karte. Und vielleicht hatte auch der Alpenpublizist Josef Moriggl recht, wenn er meinte: „In den kommenden Jahrhunderten wird man Rohns Karten ebenso hoch werten wie die Kupferstiche Albrecht Dürers.“     
Auf der Hans-Rohn-Ausstellung konnten sich die Besucher anhand von zwei historischen Alpenkarten selbst ein Bild von dieser Symbiose aus Kunst und Kartographie machen: Gezeigt wurden aus dem gewaltigen Gesamtwerk zwei der berühmtesten Karten, die Karte der Brenta-Gruppe aus dem Jahr 1908 und die Dachsteinkarte von 1915, die im wahrsten Sinn des Wortes Rohns „Handschrift“ mit der Diamantspitze zeigen.
1928, als sich Hans Rohn aus seinem geliebten St. Leonhard verabschiedete, um seine neu erbaute „Villa Rohn“ in Melk zu beziehen, war gerade die heute legendäre Karte der Großglockner-Gruppe fertig geworden und auch die Vorbereitungen für sein letztes großes Kartenwerk beinahe abgeschlossen: Die nächsten sieben Sommer  sollte er damit verbringen, die Felszeichnung der Zillertaler Alpen auf Papier zu bannen, um sie in sieben langen Wintern in Kalkstein zu gravieren. 
Daß sein Abschied aus St. Leonhard nicht endgültig war, beweist eines der letzten Bilder, das der 75jährige im Frühling des Jahres 1945 schuf. Es trägt den schlichten Titel „Zwei Mädchen, vom Hiesberg kommend“.
Ewald Guido Fischer 
  

 
Hans Rohns Sommerhaus in St. Leonhard
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Die einstige Brücke über die Melk
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Blumenwiese mit Blick auf den Hiesberg
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Der alte Meierhof von Schloß Zwerbach
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Fluß im Granit
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Die Dame im Goldmedaillon, 1911
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Der Alpenkartograph in den Dolomiten
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Der Knabe mit der Laterne
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Hans-Rohn-Gedenktafel in St. Leonhard enthüllt

„In diesem Hause lebte und wirkte von 1905 bis 1928 der große Kartograph und akad. Maler Hans Rohn“. Diese Worte sind auf einer Gedenktafel zu lesen, die am 12. Juni 2010 am Haus Hiesbergstraße 1  feierlich enthüllt wurde.

Wie Bürgermeister Hans-Jürgen Resel im Rahmen des Festaktes erklärte, soll mit der Gedenktafel die Erinnerung daran wach gehalten werden, daß Österreichs bedeutendster Alpenkartograph, der gleichzeitig ein herausragender Künstler war, mehr als zwei Jahrzehnte in St. Leonhard lebte und hier auch eine Reihe seiner schönsten Landschaftsgemälde schuf.
Tatsächlich war das Haus in der Hiesbergstraße 1, das sich heute im Besitz von Familie Winter befindet, nach 1905 Mittelpunkt für Hans Rohns künstlerische Tätigkeit. Von hier aus unternahm er mit seiner leichten Feldstaffelei und seinen Malutensilien Wanderungen in die Natur hinaus, um rund um St. Leonhard immer neue Motive zu entdecken und künstlerisch zu erfassen.

Hans Rohn startete von der Hiesbergstraße aus aber auch so manche „Expedition“ in damals noch weitgehend unerforschte Alpenregionen, zeichnete das Felsgebiet und gravierte anschließend die Felszeichnung mit Stahlnadel und Diamantgriffel in große Kalksteinplatten, die als Druckvorlage für die Hochgebirgskarten dienten.

Frau Dr. Hildegard Fischer, Enkelin des Künstlers und Vorsitzende der Hans-Rohn-Gesellschaft, bedankte sich anläßlich der Enthüllung der Gedenktafel in herzlichen Worten bei Herrn Bürgermeister Resel sowie der Gemeinde St. Leonhard für die zahlreichen Aktivitäten, mit der Hans Rohn als kulturhistorische Persönlichkeit im St. Leonharder Jubiläumsjahr gewürdigt wird.